Die Suche nach der Unterstimme

Wenn man die Contratenorstimme nach unten oktaviert – also als contratenor bassus ausführt, entstehen verbotene Quarten zwischen Tenor und Bass: denn Quarten, die zur tiefsten Stimme des Satzes entstehen, werden als Dissonanz eingestuft, müssen entsprechend behandelt werden und taugen somit nicht für unseren angestrebten konsonanten Gerüstsatz.

Doch lässt sich ein solcher überhaupt mit einer contratenor bassus-Stimme realisieren? Zumindest nicht so einfach wie vorhin. Denn als konsonante Intervalle zum Tenor kommen also nur Terzen und Quinten in Betracht (Oktaven bleiben den Kadenzpunkten vorbehalten).

Unschwer zu erkennen, dass keine der beiden dargestellten Stimmen funktioniert: Im ersten Fall handelt es sich bloß um eine Oktavverdopplung des Cantus, im zweiten Fall entstehen Quintparallelen zum Tenor. Als Alternative bleibt allein, beständig zwischen Quinten und Terzen wechseln.


Auch hier erübrigt sich eine der beiden Möglichkeiten, den wenn man mit der Unterterz beginnt, bleiben die Oktavparallelen vor und nach dem Einklang zu Beginn und Ende. Außerdem entsteht unter dem f des Tenors eine verbotene verminderte Quinte. Wollte man das h zum b erniedrigen, hätte man das gleiche Problem wie bei der phrygischen Kadenz: es entstünde eine neue verminderte Quinte, horizontal zum darauffolgenden bzw. vorausgehenden Ton e im Bass. Folglich scheidet auch diese Möglichkeit aus, und es bleibt allein folgende:

Voilà: Unser 3-5-Satz ist geboren! Wir erinnern uns: Wir haben versucht, parallel geführte imperfekte Konsonanzen mit einer Bassstimme zu unterlegen. Als Möglichkeit, die den elementaren Prämissen der Satztechnik folgt (keine Quint- und Oktavparallelen, keine Dissonanzen, also auch keine Quarten zum Bass), ist nur eine einzige übrig geblieben. Der 3-5-Satz ist also nichts anderes als das Produkt einer Notwendigkeit!

Im vierstimmigen Satz kommt eine Alt-Stimme hinzu, die, auf den Bass bezogen, zwischen Quinten und Oktaven wechselt. 
Sinnfällig demonstriert dieses Modell wieder einmal die Relation der Stimmen untereinander im Renaissance-Kontrapunkt, die auch aus der Tabelle für den vierstimmigen Klangaufbau von Pietro Aron hervorgeht: Zum Tenor entstehen erst Cantus und danach der Bass, der Alt ergibt sich wiederum in Relation zum Bass (vgl. Kapitel zur Kadenz).